Seit 2009 fördert die Kühne-Stiftung mit dem Christine Kühne – Center for Allergy, Research and Education (CK-CARE) die Erforschung und Behandlung von allergischen Erkrankungen. Das Projekt ist in Davos etabliert, wo die Kühne-Stiftung zudem die traditionsreiche Hochgebirgsklinik(HGK) unterhält. Die enge Kooperation mit der HGK Rehabilitationsklinik eröffnet die Möglichkeiten einer translationalen Medizin, bei der wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur veröffentlicht werden, sondern auf möglichst kurzen Wege auch den Patienten zu Gute kommen. Daneben bildet CK-CARE Ärzte und Fachpersonal entsprechend weiter, damit möglichst viele Patienten nach den neuesten Standards behandelt werden können.
Auf dem Areal der Hochgebirgsklinik soll ein internationaler Medizincampus entstehen. Im Rahmen dieser Strategie fördert die Kühne-Stiftung nun ein weiteres grosses wissenschaftliches Programm, das sich der Erforschung von Herzerkrankungen widmet. Unter der Federführung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) wird das bisher grösste Forschungsprojekt zur Ganzgenomentschlüsselung im deutschsprachigen Raum durchgeführt. Herz-Kreislauferkrankungen stehen dabei zunächst im Mittelpunkt des Forschungsprojekts. Denn gerade diese Volkskrankheiten werden durch ein Zusammenspiel genetischer Veränderungen und äusserer Einflüsse ausgelöst. Bisher wurde dieses komplexe Zusammenwirken nur unzureichend erforscht. Im Rahmen des Forschungsprojekts wird das Erbgut von 9.000 genetischen Bioproben von gesunden Probandinnen und Probanden sowie Patientinnen und Patienten des UKE entschlüsselt und untersucht. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, ein besseres Verständnis von kardiovaskulären Krankheitsursachen zu gewinnen, um neue diagnostische und zielgerichtete therapeutische Möglichkeiten entwickeln zu können. Durchgeführt werden die Ganzgenomsequenzierungen am Universitätsspital Zürich. Zur Analyse und Auswertung der so entstehenden riesigen Datenmengen wird auf dem Medizincampus Davos ein Zentrum aufgebaut, das in der Lage ist, mit biostatistischen Verfahren die anspruchsvollen kardiologischen Fragestellungen zu beantworten.
Was ist eine Ganzgenomentschlüsselung und wozu wird sie eingesetzt?
Die Ganzgenomentschlüsselung ist ein molekularbiologisches Analyseverfahren zur Ermittlung der Basenpaarabfolge (Sequenzierung) der gesamten Erbinformation eines Individuums. Vielen Erkrankungen liegen bestimmte Veränderungen der Basenpaarabfolge und damit der Erbinformation (DNA) zugrunde. Aktuell sind in mehr als 4.000 der rund 20.000 relevanten menschlichen Gene mögliche krankheitsverursachende Veränderungen der DNA (Mutationen) bekannt, jedes Jahr kommen etwa 200 hinzu.
Auch die Volkserkrankungen wie Herz-Kreislauferkrankungen stehen im Verdacht, durch genetische Veränderungen (Mutationen) beeinflusst zu werden. Die Komplexität und das Zusammenspiel der Gene, die letztendlich zu einer Herz-Kreislauferkrankungen führen, sind bisher nur unzureichend bekannt. Ziel der Ganzgenomsequenzierung in diesem Forschungsprojekt ist es, ein besseres Verständnis von Krankheitsursachen zu gewinnen. Dies eröffnet die Möglichkeit zur Entwicklung neuer therapeutischer Verfahren für zielgerichtete Therapien. Für die Forschung ist es dabei wichtig, künftig vermehrt gesunde Menschen in die Ganzgenomsequenzierung einzubeziehen, um bessere Vergleichsmöglichkeiten zwischen den Erbinformationen Gesunder und Kranker zu erhalten.
Wie aufwändig ist eine Ganzgenomsequenzierung?
Die fortschreitende technische Entwicklung der Gensequenzierung („Next Generation Sequencing“) ermöglicht heute, mit der sogenannten Hochdurchsatz-Sequenzierung die komplette DNA eines Menschen in weniger als 24 Stunden zu entschlüsseln. Die reinen Sachkosten hierfür belaufen sich pro Genom auf rund 1300 Euro. Zum Vergleich: Die erste Sequenzierung eines menschlichen Genoms im Rahmen des weltweiten Humangenomprojekts, dessen Ergebnisse 2001 veröffentlicht wurden, hat über zehn Jahre gedauert und mehrere hundert Millionen Euro gekostet.
Woher stammt das Erbgut?
Im Rahmen des Forschungsprojekts werden zunächst 9.000 genetische Bioproben von gesunden Probanden und Patienten des UKE entschlüsselt und die Gensequenzen analysiert. Damit handelt es sich um das größte Projekt zur Ganzgenomsequenzierung, das bisher in Deutschland durchgeführt wurde.
8.000 genetische Bioproben stammen von gesunden Probanden aus der Hamburg City Health Study (HCHS), 1.000 genetische Bioproben von ehemaligen Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen des Universitären Herz- und Gefäßzentrums, welche an speziellen Herzstudien am UHZ teilgenommen haben. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben in die Teilnahme an der Studie und in die Nutzung der Proben und Daten für eine Ganzgenomsequenzierung schriftlich eingewilligt.
Was ist die HCHS-Studie?
Die Hamburg City Health Study (HCHS) ist die größte lokale Gesundheitsstudie der Welt und findet auf Initiative des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) statt. In diesem Projekt arbeiten über 30 Kliniken und Institute des UKE zusammen, um interdisziplinär für die Medizin von morgen zu forschen. Sie schließt rund 45.000 Hamburgerinnen und Hamburger als Probanden ein. Das ermöglicht den Aufbau einer umfassenden Daten- und Biomaterialbank, die eine intensive Erforschung von Risikofaktoren häufig auftretender Erkrankungen zulässt.
Welche Erkrankungen stehen im Fokus der Ganzgenomsequenzierung?
Das Projekt wird die genetischen Bioproben mit dem Ziel auswerten, neue Optionen zur Prävention, Diagnostik und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln. Im Mittelpunkt stehen die grossen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie beispielsweise Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche und Herzinfarkte.
Wo werden die Daten aufbewahrt?
Die Bioproben der Probanden werden mehrfach pseudonymisiert vom UKE an das Universitätsspital Zürich geschickt. Somit stellen wir sicher, dass keine personenbezogenen Daten weitergeleitet werden. Die Daten der Probanden aus der Hamburg City Health Study (HCHS) und von den Patienten der UHZ-Studien werden ausschliesslich im UKE verwahrt. Der Datenschutz wird vollumfänglich gewährt.
Welcher Kooperationspartner ist für was zuständig?
Die Federführung des gesamten Forschungsprojekts, das sich über einen Zeitraum von fünf Jahren erstreckt, hat das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Die Wissenschaftler sind für die klinische Analyse sowie für die klinisch-molekulare Auswertung der sequenzierten Genome zuständig. Zu diesem Zweck wird eine Professur für Klinische Kardiologie mit dem Schwerpunkt Genetik und Biomarkerforschung am UKE eingerichtet.
Das Universitätsspital Zürichverfügt über die notwendigen technische Voraussetzungen sowie das biomedizinische Know-how für die Genomsequenzierung und übernimmt im Rahmen des Forschungsprojektes den methodischen Teil der Ganzgenomsequenzierung.
Auf dem Medizincampus Davos wird ein Zentrum für Kardiovaskuläre Präzisionsmedizin, das sogenannte „Center for Cardio-CARE“, mit einer Professur für Bioinformatik und einem Wissenschaftlerteam etabliert. Der Inhaber der Stiftungsprofessur übernimmt zugleich eine Gastprofessur am UKE.